Interview von Knut Henkel mit Waylla Kuri

Interview mit Augusto Salazar (56) und seiner Kollegin Jésica Shiguango (23 Jahre) von der Genossenschaft Waylla Kuri über die Probleme mit der Implementierung der EUDR und mehr. 

 

 

Welche Probleme gibt es mit der Implementierung der EU-Verordnung gegen Entwaldung? 

 

Wir alle müssen uns umstellen, dazulernen und müssen nun belegen, dass wir traditionell in kleinen Waldgärten, in denen neben Kaffee mehrere Dutzende andere Produkte wachsen, unseren Kaffee produzieren. Für uns ist das eine Selbstverständlichkeit, für die Europäische Union aber nicht. Das müssen wir begreifen und die Herkunft unseres Kaffees en detail belegen – das ist Mehrarbeit aber nötig. 

 

Aber nötig… 

 

Ja, aber wir sind das nicht gewöhnt, müssen lernen, dass es dazu keine Alternative gibt, wenn wir unseren Kaffee exportieren wollen. Dabei haben wir zum Glück Unterstützung von Quijote Kaffee, aber auch von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Die helfen uns auf die Sprünge.  

 

Wie reagieren die Bauern angesichts der Mehrarbeit? 

 

Es gibt schon die Stimmen, die für die Mehrarbeit auch mehr Geld verlangen. Das ist so. Allerdings wird das derzeit durch die hohen Preise ein wenig überlagert.  

 

Wie weit sind Sie mit der Implementierung der EUDR-Vorgaben? Wie viele Produzenten erfüllen die Vorgaben? 

 

Es sind rund 70 Prozent der Bauern, die erfolgreich umgestellt haben, den Rest werden wir in den kommenden Monaten auch mit Hilfe der GIZ noch einmal briefen. Wir haben Termine und bereiten diese derzeit vor – sie stehen im Mai an.  

 

Wie viele Produzent:innen sind Teil von Waylla Kuri? 

 

Wir sind 325 Produzentinnen und haben 15,2 Tonnen Kaffee produziert und werden die Ernte geht komplett zu Quijote-Kaffee nach Hamburg. 

 

Waren Sie zufrieden mit der Ernte? 

 

Ja, wir haben eine gute Ernte eingefahren, sind zufrieden mit der Qualität der Robusta-Bohnen. In den Waldgärten haben wir wenig Probleme mit Schädlingen, nur mit La Broca, dem Kaffeekirschenkäfer, haben wir Probleme und wir stellen Fallen mit Alkohol oder Kaffee gegen die Käfer auf. Mit Pilzerkrankungen wie La Roya haben wir eigentlich kaum Probleme, aber der Kaffeekirschenkäfer ist für viele Produzent:innen ein Problem. Er reduziert die Erne um etwa 10-15 Prozent. 

 

Auf wie viel Hektar bauen die Genossen Kaffee an? 

 

Etwa auf einem Viertel Hektar, die größten Produzenten kommen vielleicht auf einen halben Hektar. Die Produktion liegt zwischen 15 und 22 Quintales pro Jahr pro 1/4-Hektar. Ich selbst habe ebenfalls einen ¼ Hekar, plane auf einen ½ Hektar zu erweitern. 

 

Welche Bedeutung hat der Kaffee für die Familien – ist er die wichtigste Einnahmequelle? 

 

Kaffee ist ein wichtiger Faktor, um Produkte zu kaufen, die wir nicht selbst produzieren, Kleidung und andere Dinge. Allerdings bauen einige der Genossen auch Kakao an, andere Produkte, so dass die Einnahmen sich auf mehrere Produkte verteilen. 

 

Woher kommt Unterstützung? 

 

Wir erhalten Unterstützung von Quijote Kaffee aus Hamburg, von der GIZ dank der Hilfe von Quijote, von der italienischen Kooperation, die Saatgut liefert. Wir produzieren in erster Linie mit drei verschiedenen Robusta-Sorten und die werden zumindest teilweise von der italienischen Kooperation gestellt. 

 

Sie sind so etwas wie der Vater des Robusta-Kaffeeanbaus in der Region – hat er Perspektive? 

 

Wir haben 2010 angefangen Abnehmer zu suchen, unseren Kaffee zu vermarkten und das hat funktioniert – wir arbeiten mit Quijote Kaffee seit 2012/13 zusammen, sind sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit und liefern den gesamten Kaffee an diese Rösterei aus Hamburg, die uns berät, mit der unser Kaffee besser geworden ist. Das kommt allen Genoss:innen zugute, das ist für mich eine sehr befriedigende Arbeit – auch wenn wir immer wieder Problem mit Coyotes haben – den Ankäufern großer Kaffeeunternehmen, die derzeit oft hohe Preise bieten und der eine oder andere Genosse oder Genossin hat solche Angebote schon angenommen.  

 

Sind die Coyotes derzeit aktiver als in den vergangenen Jahren? 

 

Sie sind präsent, aber wir haben eine recht hohe Identifikation unserer Genossen mit unserer Genossenschaft, Waylla Kuri; grünes Gold. Das hilft uns genauso wie die attraktiven Preise, die Quijote für unser Produkt zahlt.  Wir haben im letzten Jahr dreißig US-Dollar pro Quintal von 46 Kilogramm gezahlt – die Coyotes haben da rund 22, 23, 24 US-Dollar geboten. Wir lagen also über dem Angebot der Coyotes. Doch das war die Situation nur am Anfang der Ernte, denn die Coyotes haben ihr Angebot auf 30, 32 und schließlich 35 US-Dollar erhöht und da beginnt dann das Problem. Hinzu kommt, dass die Coyotes nicht die hohen Qualitätsstandards verlangen wie wir.  

 

Die Preise, die Quijote Kaffee anbietet, sind attraktiv? 

 

Ja, grundsätzlich schon, aber wir hatten im letzten Jahr das Problem, dass wir den Preisen der Coyotes nicht immer Paroli bieten konnten. Zum Ende der Ernte mussten wir die Preise anheben, um mithalten zu können und um unsere Lieferverträge mit Quijote erfüllen zu können. Das ist nicht immer einfach.  

 

Die Preise sind seitdem weiter gestiegen – positiv für die Bauern, aber wie sehen Sie das aus Perspektive der Genossenschaft? 

 

Für die Genossenschaft ist es schwierig, weil wir mit den Coyotes konkurrieren und der Preis von Quijote Kaffee, den wir im Januar ausgehandelt haben, erst einmal fix ist. Ich weiß nicht, ob die nachverhandeln müssen, das lässt sich kaum einschätzen derzeit. 

 

Was macht der Genossenschaft darüber hinaus zu schaffen? 

 

Die Jugendlichen, unser Nachwuchs, verlässt oft die Region. Kaffee und der Anbau dieses und anderer Produkte ist nicht ausreichend attraktiv für sie. Das ist ein immenses Problem, das wir sehen und worunter wir bereits jetzt leiden. Wir müssen mehr Perspektiven für die Jugend bieten, sie einbinden, die Produktion erhöhen, ihnen Perspektiven bieten….. 

 

Wenn Sie die soziale Situation von 2019/20 mit der heute im Jahr 2025 vergleichen – was hat sich geändert? Ist sie schwieriger? 

 

Oh, auf jeden Fall und das ist auch ein zentraler Grund, weshalb die Auswanderung zunimmt, weshalb junge Menschen gehen. Wir versuchen junge Menschen in unsere genossenschaftlichen Strukturen einzubinden – so wie Jésica Shiguango, mit der ich direkt zusammenarbeite und die hier neben mir sitzt. 

 

Ein gravierendes Problem ist der Bergbau in der Region – in direkter Nähe von Tena gibt es viele Bergbau-Camps. Was bedeutet das für die Region? Ist der Bergbau eine Bedrohung für den Bioanbau? 

 

Ja, der Bergbau ist ein Problem für den Bioanbau, aber auch für den Öko-Tourismus in der Region. Wir drohen durch den Gold-Bergbau langfristige ökonomische Perspektiven zu verlieren – rund um Tena ist das bereits Realität.  

Wir hier in Archidona sind eine gute halbe Stunde Fahrtzeit von Tena entfernt, das ist nicht viel und insofern bedroht uns der Bergbau – noch indirekt, aber das kann sich ändern! 

Die indigene Bevölkerung ist dafür bekannt, dass sie die Natur schützt, in Harmonie mit ihr lebt – ist das in Archidona nach wie vor der Fall? 

Ja, hier in der Region ist das so, denn hier in der Region haben wir einen kollektiven Landbesitz und keinen individuellen – das ist ein gravierender Unterschied. Hier entscheiden alle gemeinsam wie wir unser Land nutzen wollen, was wir anbauen, wie wir anbauen und welches die Perspektiven sind.  

Das ist in anderen Regionen wie Tena nicht der Fall, da gibt es individuelle Landrechte, so dass Land vermietet, verpachtet und verkauft werden kann. Hier in unserer Gemeinde ist dieser Kreislauf von Verpachtung von Land an die Bergbau-Unternehmen nicht möglich, Land kann nicht veräußert, per Bagger umgepflügt und kontaminiert werden – das ist ausgeschlossen. 

Wir sehen allerdings die Risiken, denn die Bergbauunternehmen sind liquide, kommen mit viel Geld in die Regionen, der Goldpreis ist hoch und die Leute sind arm, verkaufen, verpachten Land.  

Bei uns ist das anders: wir entscheiden gemeinsam und Landverkauf, Landverpachtung ist bei uns nicht möglich! 

 

Das ist positiv, aber die indirekten Effekte des Bergbaus, die Kontaminierung von Wasser könnte langfristig auch den Anbau in den Waldgärten der Kichwa in Rukullakta gefährden, oder? 

 

Ja, das ist ein Risiko und deshalb machen wir darauf aufmerksam, informieren, warnen, denn der Bergbau ist enormes Risiko für die Regionen, für unsere Lebensweise, für unsere Strukturen. Der Staat sollte aktiv werden, die Region schützen, die Perspektiven bewahren – die Gesetze umsetzen, aber er ist untätig. Die staatlichen Verantwortlichen stecken immer wieder mit den Bergbau-Unternehmen unter einer Decke.  

Das ist ein Dilemma, denn der Bergbau gefährdet unsere Lebensweise, zerstört unsere Strukturen – dem können wir nicht tatenlos zusehen.  

 

Warum machen die öffentlichen Angestellten nicht ihre Arbeit? 

 

Sie sind oft korrupt, lassen sich bestechen und das ist ein Problem, welches wir auf vielen. Ebenen haben und dem nicht so einfach beizukommen ist. Wenn es Korruption in den Kontrollinstanzen gibt – wird jedwede Kontrolle unterminiert….. 

 

Gibt es politische Parteien, denn Sie vertrauen? 

 

Ja, Pachakutik, eine indigene Partei, die hier in der Region geboren wurde und die eng mit der indigenen Dachorganisation Conaie vernetzt ist.  

 

Jésica Shiguango, sie sind Genossin und die rechte Hand von Augusto Salazar. Wie sind Sie zu Waylla Kuri gekommen? 

 

Ich habe hier ein Praktikum absolviert, das war der erste Kontakt und danach habe ich noch ein weiteres gemacht und es hat gut geklappt – für beide Seiten. Ich studiere Bio-Vertrieb und -Marketing und bin seit 2019 auch Genossin. 

 

Wie kommt das? 

 

Mir gefällt der traditionelle Anbau im Waldgarten, Chakra, und mir gefällt dieses nachhaltige, überaus schonende Anbaukonzept. Ich habe eine eigene Chakra, die befindet sich drei Fahrstunden tiefer im Regenwald – da habe ich als Kind alle meine Schulferien verbracht. Wir haben da Kaffee, Kakao, Yucca, Mango und vieles andere ausgebaut. Die eigentliche Chakra hat 1,5 Hektar und wir hatten damals rund zehn Kühe.  

Davon haben wir gelebt.  

 

Was haben Sie hier für Erfahrungen gemacht? 

 

Der Übergang von der Theorie zur Praxis war nicht einfach, aber mittlerweile habe ich viele Hürden genommen und komme klar. Es geht darum Fortschritte zu machen in der organisatorischen Arbeit, bei der Buchführung, aber eben auch beim Wachsen der Struktur – wir haben heute eine bessere Struktur, arbeiten effizienter und kommen voran – im Kaffeeanbau, aber auch bei anderen Produkten. 

 

Gibt es mehr junge Nachrückerinnen wie Sie? 

 

Ja, es gibt zwei, drei weitere Mitarbeiter:innen so wie ich, aber viele bleiben nur eine kurze Zeit, suchen feste Arbeitsplätze. 

Ich persönlich erhalte eine Aufwandsentschädigung, keinen festen Lohn. 

 

Was erwarten Sie von der Zukunft? 

 

Ich möchte die Waylla Kuri wachsen sehen. Ich persönlich möchte, dass die Genossenschaft eine Cafetaria aufmacht, möchte Fortschritte begleiten und meine Teil dazu beitragen.