Langsam kehrt wieder Normalität ein, was die Ursprungsreisen bei Quijote betrifft. Bedingt durch Corona konnten wir fast zweieinhalb Jahre keine unserer Partnerkooperativen besuchen. Seit Mitte 2020 normalisiert sich die Situation nun glücklicherweise wieder. Nachdem ich „außer der Reihe“ im Juli 2022 schon in Indien war, stand nun der jährliche „reguläre“ Besuch zum Jahresbeginn an. Im Gegensatz zu früheren Jahren startete ich allerdings nicht im Januar, sondern erst Ende Februar.
Unsere Partner*innen von Vanamoolika haben in Maschinen für die Trockenverarbeitung investiert und werden diesen Verarbeitungsschritt nun zum ersten Mal nicht mehr von einem externen
Dienstleister erledigen lassen, sondern selbst auf dem eigenen Gelände durchführen. Diesen neuen Prozess wollte ich mir gerne vor Ort ansehen und begleiten.
Zunächst stand aber wie immer die etwas umständliche Anreise an. Die kleinen Flughäfen an der südindischen Malabarküste werden von Deutschland aus nicht direkt angeflogen. Je nach Kosten und
Verfügbarkeit muss man daher auf dem Weg ein- oder zweimal umsteigen. Ich entschied mich dieses Mal für die Variante Hamburg – Istanbul – Schardscha – Kannur.
Da ich ungern mitten in der Nacht in Indien ankommen wollte und dementsprechend längere Stop-Overs einplanen musste, fiel der Aufenthalt in Istanbul etwas länger aus. Somit hatte ich die schöne
Gelegenheit, die Stadt am Bosporus noch etwas näher zu erkunden.
Istanbul verfügt seit 2019 über einen komplett neu gebauten Flughafen auf der europäischen Seite, ca. 25 Kilometer nordwestlich der Stadt, welcher den alten Atatürk-Flughafen ersetzt hat. In den
letzten Jahren wurde zudem massiv in den Ausbau des Metro-Netzes investiert und dabei auch der Istanbul Airport angebunden. Die neue Metro 11 wurde gerade erst im Januar 2023 eröffnet. Sobald der
letzte Abschnitt fertiggestellt ist, erreicht man die europäischen Viertel rund um den Taksim-Platz sowie in der Altstadt in knapp 45 Minuten.
Ich hatte mein Lager sehr zentral im Stadtteil Eminönü der Nähe des alten Basars und der Hagia Sofia aufgeschlagen und konnte die Stadt somit super zu Fuß und per Bosporus-Fähre erkunden.
Besonders empfehlenswert ist der extrem belebte Stadtteil Kadiköy“ auf der asiatischen Seite der Stadt. Eher zufällig stolperte ich dort in den Plattenladen „Vintage Records“. Mit dem Inhaber
Mete kam ich schnell ins Gespräch und er lud mich auf ein Bier ein. Andauernd kamen andere Leute rein, der ganze Laden war eher ein Stadtteil- und Kommunikationszentrum als ein Geschäft. Er
betreibt im Obergeschoss auch noch einen Radiosender und legt ab und zu als DJ auf. Letztendlich verbrachte ich dort dann fast 3 Stunden und verließ den Laden leicht angetrunken und mit Metes
Abschiedsgruß in Form von vier Türkpsychrock-Sinlges aus den 70ern unter dem Arm. Vom Plattenladen ging es dann in das direkt an das Viertel angrenzende Şükrü Saracoğlu Stadyumu von Fenerbahçe Istanbul. Dort fand mit dem Heimspiel gegen Konyaspor das erste Spiel „nach“ der Erdbebenkatastrophe statt, denn die türkische Süperlig hatte ihre Spiele
vorübergehend ausgesetzt. Die Anteilnahme und Solidaritätsbekundungen der knapp 45.000 Zuschauer bei der Wiederaufnahme des Spielbetriebs waren entsprechend sehr emotional und die Atmosphäre
extrem bedrückend und bewegend.
Am Sonntagabend ging es dann für mich von Istanbul weiter in Richtung Indien. Diesmal allerdings vom Airport Sabiha Gökcen (SAW) auf der asiatischen Seite. Auch dieser Flughafen ist mittlerweile
durch die Metrolinie M4 hervorragend an das öffentliche Nahverkehrsnetz angeschlossen. Er ist allerdings deutlich kleiner als der europäische Istanbul Airport. Pünktlich um 23:00 startete dann
mein Flieger von „Pegasus“ Airlines in Richtung Schardscha in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Pegasus ist eine türkische Billig-Airline und dementsprechend unkomfortabel gestalteten sich die
vier Stunden Nachtflug dann auch. Da ich mein Aufgabegepäck nicht durchchecken konnte musste ich um 04:30 Ortszeit zunächst einmal durch die Immigration nur um nach dem Baggage Reclaim keine 30
Minuten später am Departure Terminal das Land bei der Passkontrolle auch schon wieder zu verlassen. Dort gab es beim Check-In bei Air India Express noch etwas Probleme aufgrund des Umlautes in
meinem Vornamen. In meinem Pass ist der Name mit „Ö“ abgedruckt, im Visum und Flugticket allerdings ersatzweise mit „OE“, weil es den Umlaut im englischen Alphabet nicht gibt. Nach längerer
Diskussion ließen sich die Dame am Counter und ihr extra herbeigerufener Supervisor letztendlich überzeugen, dass das auf dem Visum aufgedruckte „OE“ auch korrekt ist. War bisher auf all meinen
Reisen noch nie ein Problem, aber irgendwas Unerwartetes passiert ja irgendwie immer.
Schardscha ist eine Stadt in direkter Nachbarstadt zu Dubai, allerdings deutlich konservativer. Wer sich die Umsteigezeit mit einem Wartebierchen verkürzen möchte wird hier definitiv nicht
glücklich. Dafür eignet sich Schardscha aufgrund der kurzen Wege deutlich besser zum nächtlichen Umsteigen mit Gepäck als der benachbarte Riesenairport in Dubai.
Um 08:00 Uhr ging es dann mit Air India Express weiter. Kurz vor dem Abflug wurde ich vom Flugbegleiter gefragt, ob ich auch mit Plätzen am Notausgang einverstanden wäre. Klaro, kein Problem.
Entsprechend entspannt und mit ausgestreckten Beinen war dieser Flug dann das komplette Gegenteil der Pegasus-Tromboseairline.
Zum ersten Mal hieß mein Zielflughafen in Kerala nicht Kozhikode (Calicut), sondern das etwa 100 km weiter nördlich gelegene Kannur. Der dortige Flughafen wurde erst 2018 eröffnet und wird von
einer privaten Gesellschaft betrieben. Ich hatte bereits vorher gehört, dass die Einreisekontrolle dort wesentlich entspannter ablaufen soll als in Kozhikode. Das Prozedere war aber erstmal
dasselbe. Ich wurde vor der Passkontrolle von einer freundlich winkenden Person aus der Schlange heraus gewunken, um das mir bereits bekannte Einreiseformular für Ausländer auszufüllen. Eine
weitere Person begleitetet mich dann zurück in die Immigrationhalle. Allerdings durfte ich mich nicht wieder in die Schlange einreihen, sondern musste in einem abgesperrten Bereich auf einem
schweren Ledersofa Platz nehmen. Dieser Teil war ansonsten wohl nur Sondergästen vorbehalten, denn nach ein paar Minuten Wartezeit wurde ich von zwei weiteren Uniformierten gebeten, an einem
Schalter mit der Aufschrift „G20 Diplomats and Officials“ Platz zu nehmen. Indien ist 2023 Ausrichter des G20-Summits und das findet dezentral mit Veranstaltungen im ganzen Land statt. Och nö,
kein Bock hier als möglicher G20-Protestierer vernommen zu werden. Wer weiß was die von 2017 hier noch ausgraben oder wissen wollen weil ich aus Hamburg komme…Im Endeffekt waren die ernst
guckenden Beamten aber recht freundlich und spulten lediglich ihr Standardfragenprogram ab. Lediglich das E-Visum in Papierform sorgte für etwas Verwirrung. Letztendich bekam ich recht problemlos
den Stempel in den Pass und nach der Gepäckabholung stand ich knapp 45 Minuten nach der Landung bereits vor dem Flughafen. Neuer persönlicher Indien-Einreiserekord!
Kurze Zeit später wurde ich dann von Chackochan (Vanamoolika) und einem Fahrer abgeholt. Kannur liegt etwas dichter an Vanamoolika und die Fahrtzeit ist entsprechend kürzer als von Kozhikode.
Dafür ist die Straße teilweise aber auch in einem sehr viel schlechteren Zustand und streckenweise übersäht mit Schlaglöchern, so dass wir dort maximal im 2. Gang fahren konnten. Die vielen
Baustellen deuten aber daraufhin, dass sich dieser Zustand bald verbessern dürfte. Ansonsten blieb festzuhalten, dass das Straßenbild in Kerala auch weiterhin von Hammer und Sichel bzw.
Che-Guevara-Fahnen dominiert wird. Übertroffen wird das ganze aber neuerweise noch durch riesige Tafeln mit Fotos von Lionel Messi und der argentinischen Fußballnationalmannschaft.
Nach knapp 3 Stunden Fahrt erreichten wir gegen Abend schließlich den Campus von Vanamoolika und wurden von George von Organic Wayanad und einer Gruppe von Agrarstudentinnen in Empfang genommen,
Diese absolvieren dort gerade ihr Praxissemester und hatten heute ihren Abschlusstag.
Nach kurzem Plaudern beim gemeinsamen und wie immer extrem leckeren Dinner fiel ich dann in meinem bereits bekannten Gästezimmer umgehend und hundemühe ins Bett