Am Morgen treffen wir uns im Coffeeshop von Coopfam mit Vânia Pereira. Vânia ist seit 2019 Präsidentin und beendet dieses Jahres ihre zweite und damit gleichzeitig ihre letzte Amtszeit. Sie
denkt, dass es sehr wichtig sei eine Änderung in der Führung zu haben, um die Organization dynamisch zu halten. Um für die Stabilität der Kooperative zu sorgen, bleibt normalerweise ungefähr 1/3
des Leitungsteams bestehen, sodass die Neuen die Prozesse gut lernen können.
Die Präsidentin berichtet uns von der Geschichte und Philosophie der Kooperative und wie viel Wert sie auf ökologische Landwirtschaft und soziale Verantwortung legen.
Sie erzählt uns auch, wie die Arbeit der Frauen schon immer präsent war und ist, und dennoch nicht dieselbe Sichtbarkeit und Anerkennung erhielt wie die Männer. Daher haben sie 2006 das Projeto
Café Feminino und MOBI ins leben gerufen, bei dem 40 Cooperadas direkt involviert sind. Sie sind ebenfalls im Austausch mit anderen Equipes Femininos wie Póde Mulheres von CAFESUL.
In der Leitung und Verwaltung der Kooperative sind tatsächlich mehr Frauen als Männer tätig, was in der Kaffeewelt sehr unünblich ist. Darüber hinaus sind sie auf Kooperation mit anderen
gleichgesinnten Projekten aus und involviert in OCB organisação das cooperativas brasileiras, einem Kooperativenverband, der den Kooperativismus fördern soll.
Die Coopfam ist in 4 Verwaltungsbereiche organisiert:
• Verwaltungsrat
• Aufsichtsgremium
• Ethikrat
• Beirat
Der Beirat besteht aus 30 Nucleos, also lokale Produzent*innen-Gruppen, und jeder Nucleo hat eine Führungsperson. Diese treffen sich einmal im Monat mit den anderen 3 Verwaltungsgruppen. Eine
Woche später treffen sich die Nucleos-Führungspersonen mit allen Produzent*innen um die Kommunikation in der gesammte Kooperative aufrechtzuhalten.
COOPFAM fördert Projekte auch mit der kollektiven Kaufkraft, die sie aufwenden, um zum Beispiel Feuchtigkeitsmessgeräte für die Nucleos oder organischen Reis zu kaufen. Die Kooperative bietet
auch Agrarberatung, basierend auf der Analyse von kostenlosen Boden und Blätterproben, an.
Vânia erzählt über die Schwierigkeiten, die die Cooperad@s derzeit damit haben, Arbeitskräfte zu finden für die Erntezeit, obwohl die Ernte- und Aufbereitungsprozesse in Brasilien weniger
Arbeitskraft benötigen als in anderen Teilen der Welt (Leichterer Zugang zu Maschinen).
Das Arbeitsrecht in Brasilien ist sehr strickt und nicht auf kleine Produzent*innen ausgerichtet. Auch um Erntehelfer*innen kurzfristig einzustellen, ist ein enormer bürokratischer Aufwand nötig.
Arbeitsverträge (auch für Tageshelfer*innen) sind auch Pflicht. Deswegen kommen viele Leute nicht mehr für die Erntesaison, denn wenn sie Arbeitsverträge haben besteht das Risiko, soziale
Leistungen (etwa wie Bürgergeld) zu verlieren. Sie wollen und können nicht für eine Arbeit die 3 bis 4 Monate dauert die finanzielle staatliche Hilfe für ein gesamtes Jahr riskieren.
Diese, und viele andere Regelungen sind sehr sinnvoll und machbar für große Betriebe und Großlandbesitzer, machen aber das Leben von Kleinproduzent*innen schwer.
In der Pause trinken wir einen Iced Americano mit Limettensaft.
Bei COOPFAM arbeiten 74 Leute in verschiedenen Bereichen, viele davon trifft man um 09:00 oder 15:30, in den offiziellen
Kaffeepausen, oder ab und zu in dem Café. Hier macht Sahra, eine der Baristas, einen tollen Job und stellt damit auch direkt eine Schnittstelle zur Produktentwicklung und Qualitätskontrolle her.
Gegen Mittag lernen wir Flavio kennen, er ist einer der Umweltmanagement-Ingenieure und wir unterhalten uns über das EUDR. Die COOPFAM ist gut vorbereitet mit Geodaten von allen Produzent*innen.
Am Anfang hat Flávio die Geopunkte (für Anbauflächen unter 4 ha) in verschiedenen Systemen überprüfen lassen und festgestellt, dass es viele falsch-positive Ergebnisse gab, weil es nicht möglich
war festzustellen, wo genau eine Anbaufläche beginnt oder endet. Er hat dann entschieden, nur mit Polygonen zu arbeiten, um die Ergebnisse eindeutig zuordnen zu können. Da die Kooperative schon
über Satelliten- und Drohnenbilder von allen Parzellen verfügt, war die Erstellung der Polygone nicht allzu aufwendig. Demnächst soll auch ein Überprüfungssystem von FairTrade zu Verfügung
gestellt werden, das ziemlich gut sein soll. Sie werden in den nächsten Wochen ein paar Tests damit starten.
Mit Flávio und Marina fahren wir im Fiat Uno zu einem jungen Produzenten, Rafael. Er hat vor 2,5 Jahren 8,5ha gekauft, von denen ein Teil Weidefläche war und 2 ha konventioneller
Kaffeeanbau.
Rafael hat schon 8 Jahre Erfahrung mit Gemüseanbau und Permakultur. Er und sein Gärtner-Freund João wollten aber mit etwas Anderem arbeiten und waren sehr begeistert von der Arbeit und der
kooperativen Struktur der COOPFAM. Das hat die beiden motiviert nach Poço Fundo umzuziehen und Mitglieder zu werden.
In ihrer Sítio EntreCantos hat die Kooperative ein Projekt für die CO2-Neutralisierung gestartet. Eine Fläche, die damals für die Rinderzucht diente, wurde ausgewählt und mit 300 nativen Bäume
bepflanzt. Unabhängig von dem CO2-Projekt haben die beiden außerdem mehr als 1000 weitere Bäume angeplanzt.
Die Flächen von EntreCantos sind eine bunte Mischung aus Nutz- und Nativen Pflanzen im besten Agroforstlandwirtschaftsmodell:
Mamona, Macadamia, Malagueta, Avacado, Papay, Mango, Baumwolle,
Pitahaja, Acaí, Pereira, Grumichama, Paineira, Mahagoni, Zitrus, Basilikum, Kakao, Kaffee, Mais, Bananen (13 Varietäten), Süsskartoffel, Saubohnen
, Eukalyptus und noch sehr viele weitere.
Zum
Eukalyptus hat er etwas Interessantes gesagt: Der Eukalyptus hat ja teilweise einen schlechten Ruf was daran liegt, dass unsere europäische Kultur oft ignorant ist und dem eigentlichem Opfer die
Schuld zuweist. Nicht die Pflanze ist schlecht (keine Pflanze), sondern dass die Pflanze und das Land für Profit missbraucht werden. Eukalyptus ist nicht problematisch wenn er nicht als
Monokultur angebaut wird.
Er hat uns einige extrem gut selektierte Microlots auf den Trockenbetten gezeigt, die wirklich wie Melasse und Goldsaft gerochen haben. Er hat Agroecologie studiert und meinte, er arbeitet seit 2016 mit der Permakultur.