Tag 6 ein letzter Tag bei der APPAECE


Um 7:00 Uhr war heute Aufstehen angesagt, schließlich stand für heute viel an: Parzellen besuchen und dann noch das Nassbeneficio von Leonel Soto Figueroa. Leonel ist unter anderem Vertreter von Planeta Una, er ist uns erstmalig vor 4 Tagen bei der Kooperative Santa Anita begegnet.

Dort hatte er uns auch eingeladen ihn zu besuchen, da er auch noch Mitglied einer Kooperative ist, die ein eigenes grosses Nassbeneficio in Santa Klara, unweit von Guatemala Stadt hat.

Doch zuvor stand noch ein weiterer Tag bei unseren Partnern von APPAECE an.

Genaro und seine Familie hatten zu unseren Ehren das Frühstück zu einem Festessen erklärt. So durften wir uns satt essen an Tamales mit Fleischsoße und Hühnerkeule. Als ob das alleine noch nicht genug war, gab es obendrauf noch süsse (mit Marmelade gefüllte) Brötchen, Käse, Brot und Obst. Eigentlich gibt es dergleichen nur an Weihnachten, Geburtstagen und Beerdigungen. Wir ließen uns dieses verfrühte Weihnachtsessen jedenfalls schmecken und stiegen dann mit kugelrunden Bäuchen auf den PickUp. Wie schon gestern ging es bergauf, bergab - 30% Steigung oder Gefälle, heute gab es auch etwas Sightseeing: Wasserfall und heiße Quellen. Ganz klar im Mittelpunkt standen natürlich die Parzellen der anderen APPAECE Mitglieder: Ovido, Agapito (weitere Parzelle), Marcos Juarez, Filadelto und der Präsident Rufino.

Jeder der Produzenten zeigte uns wie engagiert er ist, sie bereiten ihren eigenen Dünger auf und wie schon gestern beobachtet, hat wirklich jeder von ihnen einen eigenen Entpulper, eigene Fermentations-und Waschbecken und einen eigenen Patio.

Die Mitglieder von APPAECE sind unterschiedlich stark von der Kaffeekrankheit Rojia betroffen, einige gar nicht, andere ein wenig und zwei, drei stärker. Besonders betroffen sind ältere Pflanzen und hochwertigere Varitäten (bessere Qualitäten), abgesehen von starkem Beschneiden oder der kompletten Entfernung bleibt da nix. Im Gegensatz zu gestern geriet die Rojia dieses Mal jedoch etwas in den Hintergrund.

Im Vordergrund stand heute ganz klar, die Zusammenarbeit mit Beratern.

Ohne Rigo (dessen eigene Kooperative so gut wie gar keine Ernte dieses Jahr hat) und Mynard hätte weder APPAECE die letzten zwei Jahr exportieren können, noch hätte Gerrit und somit letztendlich wir Kontakt zu einander bekommen.

Die Abgeschiedenheit fordert Ihren Preis: Internet gibt es erst seit 4 Wochen in einem der der 3 Dörfer, die nächsten grösseren Städte San Marcos und San Pedro sind ca. 1 Stunde entfernt, die Kommunikation zu uns erfolgt letztendlich über 3 bzw. sogar 4 Zwischenstellen. Zu einem gibt es Rigo der ihnen hilft bzgl. Export, Mynard hilft bzgl. Vermarktung, Gerrit wiederum kommuniziert mit Rigo und Mynard und dann gibt es dieses Jahr Leonel (Planeta Una) für den Export und uns.

Kaffee exportieren ist in Guatemala nämlich alles andere als einfach, es gibt nur begrenzt Exportlizenzen und für die muss z.B. 1000 000 US $ (Richtig $ und nicht Quetzals) für 5 Jahre auf einem Konto nachgewiesen werden, außerdem müssen zwei potentielle Konkurrenten (schon in Besitz der Exportlizenz) ein Empfehlungsschreiben anfertigen. Dass das nicht immer total legal vonstatten geht, versteht sich von selbst, Korruption ist in jeglicher Ebene offenkundig...

Soviel zum kurzen Exkurs "Kaffeeexport".

Rigo und Mynard kommunizieren ausschließlich über Telefon mit APPAECE, Beraterverträge gibt es nicht, wer was leisten soll bzw. für welchen Betrag ist somit immer wieder Verhandlungssache. Besonders ohne Rigo würde es aber im Moment einfach nicht gegen, obwohl APPAECE intern sehr gut strukturiert ist, sind die Abläufe bzgl. Verkauf leider noch nicht so vertieft. Meiner Meinung kann man in diesem Fall auch nicht pauschal sagen, der oder der soll einfach dies oder jenes nicht machen oder eben erledigen, die Hintergründe für das jeweilige Handeln, Bedürfnisse sind wirklich kompliziert. Die Lebensumstände sind eben wirklich nicht mit unseren zu vergleichen. Durch unsere Anwesenheit kam es jedenfalls zu einem recht emotionalem Gespräch zwischen Rigo und den Mitgliedern von APPAECE. Inhaltlich ging es zum einem um das Zurückhalten von dem Vertrag mit Planeta Una, weniger Bezahlung und die Einforderung von mehr Hilfestellung (Standpunkt APPAECE), zum anderen um unprofessionelle Zusammenarbeit, zu wenig Wertschätzung und um Geld (Standpunkt Rigo). Auch Quijote bekam sein Fett weg, da die verzögerte Kommunikation über Gerrit ggf. für Missverständnisse und verzögerte Entscheidung sorgt. Luiz der Schriftführer hatte jedenfalls viel zu tun. Einiges wurde beschlossen, anderes angesprochen und einiges vertagt. Das Thema ist zu komplex um alle Unklarheiten etc. in einem einstündigen Gespräch auf der Veranda zu 100% zu klären. Mit Gerrits Hilfe habe ich ihnen im Namen von Quijote Unterstützung (KnowHow) und direktere Kommunikation zugesagt und darum gebeten die Zusammenarbeit mit Rigo zu professionalisieren (Verträge etc.) und sich in den entsprechenden Bereichen mit (neu gewonnenem) Internetzugang weiterzubilden und selbstständiger zu werden.

Am Ende haben wir jedenfalls alle zusammen in Rufinos Haus zu Mittag gegessen. Gerrit und ich bekamen Dosenbier, als Deutsche hat man einfach seinen Ruf weg, ansonsten gab es schwarze Bohnen, Käse, Fleisch, Tortillia, Saft und Kaffee. Während des Essens klärten sich dann auch noch ein, zwei Verwandtschaftsverhältnisse: Agapito (insgesamt ca. 12 ha) ist durch seine Töchter sowohl mit Rufino, als auch mit Marcos Juarez verschwägert.

Ich bin mir sicher jeder Stammbaumforscher könnte in Mittelamerika seinen ganz persönlichen heiligen Gral und ewig Arbeit finden.

Nach dem Essen wurde das Gesprächsprotokoll gelesen, hier und da noch nachgebessert und unterschrieben von allen APPAECE Mitgliedern, Rigo, Gerrit und mir.

Danach ging es wieder um lustige Sachen, es wurden unzählige Fotos (Handys, zig Kameras) von allen möglichen Personenkonstellationen zum Abschied gemacht.

Umarmungen, Hände schütteln und Küsschen mit jedem und immer wieder und los ging es, der Abschied fiel keinem von uns leicht, aber irgendwie müssen Gerrit und ich unseren Reiseplan einhalten. Im Pickup im für die Strassen halsbrechendem Tempo ging es mit Genaro und Rigo zusammen auf der Ladefläche los Richtung San Pedro. Einige weitere Mitfahrer wurden noch eingesammelt, einige mit Wäsche in Säcken, andere mit Verkaufsware und  dummerweise hatten auch noch einige andere Fahrer das gleiche Ziel wie wir. Nur soviel 2,3 PickUps hintereinander auf einer total sandigen Straße, mit ordentlichem Zahn und schon sieht man aus wie der Sandmann, Brille und Tücher können eigenes abhalten, aber man frisst schlicht und einfach Sand und ist komplett mit Staub bedeckt.

Genaros Sohn war bereits in San Pedro und hielt seinen Vater auf dem Laufendem über die Busse, insgesamt hatten wir bereits 3 Stunden Verspätung.

Schließlich wurden wir in Xela erwartet.

Nach etwas über einer Stunde kamen wir San Pedro am Busbahnhof an.

Dort hieß es dann kurz verabschieden, Gepäck rauf auf den Bus und rein in den selbigen. In der Eile hatte ich Genaros Futtertüte (Obst und Avocado) ganz vergessen, wir sassen jedoch samt Rigo im Bus nach Xela. Gefühlte 4 Stunden (in echt waren es nur 2) kamen wir in Xela an, dankbar über soviel Bewegungsfreiheit erinnerte sich meine Schulter an die Vorzüge der Blutzirkulation und der Dehnbarkeit von Sehnen. Das war das erste Mal jedenfalls, das ich echt froh war in einem Taxi fahren zu können. Die schon zuvor angesprochene 6er Reihe in einem Bus, ist je nach Statur der Beteiligten echt anstrengend.

Kaum im Taxi nahm Rigo sein mobiles Büro in die Hand (Handy) und informierte die Besitzer des Cafe Reds über unser Kommen.

Eigentlich hätten wir am frühen Nachmittag dort eintrudeln sollen, jetzt war es schon kurz nach 17 Uhr.

So blieb uns nur ein kurzer Moment. Eigentlich war das Cafe Red lediglich als Begegnungsstätte für jung und alt, sozia-l und politisch engagierte Leute gedacht. Im Laufe der Zeit, stellten sich die großzügigen Räumlichkeiten als perfektes Cafe heraus. Laufend wechselnde Ausstellungen, Kulturprogramm und Schulungen gehören dazu, wie eben auch Kaffee. Rigos "Kaffee Alber" wird hier ausgeschänkt, ca. 25 kg pro Monat im Ausschank und ca. 50 kg im Verkauf. Übrigens gibt es nur selten Milchgetränke, pro Monat werden nur um die 3 Gallonen genutzt, da können sich so manche Cafes in Deutschland eine Scheibe abschneiden. Wir dankten Rigo für seine Reiseorganisation und verabschiedeten uns mal wieder.

Nach 30 Minuten hieß es also wieder "los" für Gerrit und mich, Freddy (ehemaliger Feuerwehrmann und aktuell Pensionsbesitzer) ein Freund von Leonel holte uns ab und brachte uns zum "Übergabepunkt."

Hört sich etwas schräg an, war es auch Kilometer "148" Richtung Guatemala Stadt war ausgemacht und letztendlich stiegen Gerrit und ich in einer dunklen Seitenstraße in Leonels Auto.

Zu dem restlichen Abend möchte ich hier nicht viel sagen, es endete jedoch damit, das Gerrit und ich darum baten in eine Pension gebracht zu werden. Abgesehen von Zimmern die vor allem stundenweise vermietet wurden und deren Türen sich nicht abschließen ließen, ging ein langer und ereignisreicher Tag zu Ende.